Zu Jura kann ich dir vielleicht ein bisschen was erzählen, das habe ich ein paar Semester lang gemacht.
Das große Problem, das wir heute bei den Rechtswissenschaften wahrscheinlich haben ist die Vorstellung, die wir von diesem Beruf haben, die maßgeblich durch Film und Fernsehen geprägt wird. Dadurch, dass wir dadurch vorwiegend mit amerikanischen Gerichtssäälen vertraut scheinen, haben wir oft ein falsches Bild davon, wie es vor Gericht wirklich zugeht. Außerdem erweckt es den Anschein, Jura wäre tatsächlich eine Art besserer Debattierclub, in de man reißerische Plädoyers übt, mit Leidenschaft einen Angeklagten befragt oder raushaut und sich entweder mit dem Staatsanwalt oder dem Verteidiger vor Gericht heftig in die Wolle kriegt.
So sieht der juristische Alltag aber nicht aus. Bürokratie ist hier das Zauberwort. Während deines Studiums beschäftigst du dich fast gänzlich damit, wie ein Gutachten für diese ganzen verschiedenen Klagegründe und was weiß ich nicht was aufgesetzt wird. Das hat weder etwas mit argumentieren zu tun, noch geht es darum irgendwelche Lücken irgendwo zu finden. Hausarbeiten sind Gutachten, Klausuren sind Gutachten. Gutachten, Gutachten, Gutachten.
Wenn du gerade nicht mit einem Gutachten beschäftigt bist, lernst du die ungeschriebenen bzw. im Gesetzt versteckten Grundsätze der Anwendung, Bedingung, Regeln und Ausnahmen der Anwendung usw. sowie die verschiedenen Verfahrensarten. Eher Gutachtenarten, je nachdem, was halt erreicht werden möchte. Auch das hat wieder nichts mit Gerichtsverhandlungen zu tun, es geht wieder nur um Bürokratie. Wichtige Bürokratie zwar, da dir Fehler darin das Genick brechen können (Verfahrensfehler und so..) und das alles im Gutachtenstil geschrieben, der auch wiederum weder lebhaft, noch wirklich argumentativ, sondern einfach nur schnöde Vergleichsarbeit ist. Zu irgendwelchen Urteilen kommst du dabei noch ewig nicht.
In der Praxis sieht es so aus, dass du den A irgendwann dafür hassen wirst, dass er B ständig nerven muss und C die Sache am Ende ausbaden muss, wobei du prüfen musst, inwieweit wer dann schuldfähig ist oder ähnlichen Kram. Du sitzt viel in der Bibliothek und schreibst aus Büchern ab, formulierst um und versuchst die ganzen Schemata irgendwie zusammen zu bekommen, mit denen dir von offizieller Seite aber wirklich nur partiell geholfen wird.
Bei den Prüfungen weiß man selten wirklich, was Stoff sein wird und hat dann einen Aufgabenberg vor sich, der in angemessener Zeit kaum zu bewältigen ist.
Nebenbei verschiebt sich dein menschliches Rechtsempfinden ganz gewaltig. Du fängst an zu erkennen, dass das "volkstümliche Rechtsempfinden" oft sehr genau an der Realität vorbeischießt, findest laienhafte "Rechtsberatung" gerade bei Clever zB. schnell sehr stümperhaft und grauenhaft falsch und fängst an, die Dinge aus so juristischen Winkeln zu sehen, dass jede Nachrichtensendung für dich keine Horrorstorys mehr für dich bereithält, sondern du egal bei was anfängst zu überlegen, wie denn hier die Rechtsansprüche lägen. Deine Menschlichkeit verabschiedet sich dabei, es sei denn, du bist wirklich gut gleichzeitig empatisch zu bleiben, was aber höchstwahrscheinlich nicht der Fall sein wird. Dafür steckst du dann zu tief drin. Verabschiede dich also von deinem Gewissen.
Solltest du irgendwann mal vor Gericht in Deutschland kommen, wirst du feststellen, dass das alles eher dröge abgeht, wenig spektakulär. Ansonsten gibt es noch diverse andere Sachen, die du mit einem juraabschluss machen kannst, fast alle höheren Abteilungen brauchen irgendwo einen Juristen. Entschiedend ist deine Qualifikation, vor allem deine Fachrichtung. Notar zu werden ist nicht so einfach, Richter auch nicht, ebenso Staatsanwalt. Da das alles Staatsdienste sind, musst du berufen werden, was auch nicht so von heute auf morgen passiert.
Soweit erstmal dazu...
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Beor ichs vergesse: ich glaube nicht, dass das einzig und allein daran liegt, dass ich im Osten Jura gemacht habe, sondern dass es ein generelles Problem ist: Dadruch dass es ein so traditioneller Studiengang ist, hast du es mindestens mit sehr konservativen Leuten zu tun (nicht alle, aber genug), im schlimmsten Fall mit dem "gebildeten" Rechtsbürgertum, welches sich dann, je nach Uni, auch gerne in Bruderschaften niederschlägt. ... oh mann, hab ich da nen Witz gerissen ... -.-"